Status-Quo: MOOCs in Deutschland & international

CC BY - Mathieu Plourde

CC BY – Mathieu Plourde

Heute finden sich fast in jedem Haushalt Computer und Kommunikationsgeräte, deren Leistung noch vor wenigen Jahren als reine Utopie gegolten hätte. So hat sich der „Verkehr“ auf den internationalen Datenautobahnen allein zwischen den Jahren 2007 und 2012 versechsfacht, und der Trend geht unaufhaltsam nach oben. Auch für die privaten Nutzer ist der Austausch größerer Datenmengen kein technisches Problem mehr. Das bringt allerdings nicht nur den sozialen Netzwerken regen Zulauf und erleichtert die Nutzung von Audio- und Video-Streamingdiensten: Auch die Bedeutung der Telearbeit, bei der die Mitarbeiter eines Unternehmens vom heimischen Schreibtisch aus ins virtuelle Büro gehen, wird immer größer.

Und nicht zuletzt die Wege der Wissensvermittlung und des Lernens werden vielfältiger. Neben dem „klassischen“ Frontalunterricht in Schule oder Universität etablieren sich „Massive Open Online Courses“ (MOOCs) zunehmend als echte Alternative.

Ein kurzer Blick ins Geschichtsbuch

Ein Teil der Fachwelt feierte im Jahre 2013 den 55. Geburtstag der MOOCs, freilich mit einem kleinen Augenzwinkern, wird dieser Begriff doch erst seit dem Aufkommen des „Web 2.0“ genutzt. Die ersten Ansätze des Hochschulstudiums als Massenveranstaltung gab es aber tatsächlich bereits im Jahr 1958, als die Fernsehsender NBC und CBS Vorlesungsreihen an interessierte Zuschauer übertrugen. CBS räumte den „Fernstudierenden“ sogar die Möglichkeit ein, auf diese Weise einen Abschluss zu erwerben. Auch wenn dieser einstweilen von weniger als 200 Menschen erreicht wurde: Der Damm war gebrochen.
Mitte der 1960er Jahre folgte dann der Psychologe und Hochschullehrer Fred S. Keller mit dem sogenannten Keller-Plan, den er für Studenten der neugegründeten Universität Brasilia ausarbeitete. Die Idee dahinter war ein weiterer Schritt in Richtung MOOCs: Die Studenten sollten vielfältiges, schriftliches Lernmaterial für zu Hause bekommen, „Proctors“ (Tutoren) testen die Lernfortschritte nach Bedarf und geben den Studierenden ein schnelles Feedback. Dieses Prinzip sollte die Lehrveranstaltungen an der Uni verschlanken und Zeit gewinnen für Diskussionen und das Erörtern der themenbezogenen Hintergründe. Dass sich weite Teile des Keller-Plans in Brasilien bis heute durchgesetzt haben, wird wohl auch der schieren Größe des Landes geschuldet sein. Da der Präsenzunterricht auf kürzere Zeiträume begrenzt werden konnte, wurde das Studium auch für Menschen aus entlegeneren Teilen des Landes möglich.

Heute wird zwischen xMOOCs und cMOOCs unterschieden

Das „x“ steht dabei für „x-tension classes„, also die medial gestützte Verbreitung der klassischen Vorlesung an eine beliebige Teilnehmerzahl. Hier hat sich seit 1958 lediglich das Empfangsgerät geändert – was früher der Fernseher war, sind heute Computer, Tablet oder Smartphone.
Das „c“ indes steht für „connected„. Der cMOOC hat seinen Ursprung daher mitten im brasilianischen Regenwald, weil die Grundprinzipien des Keller-Plans wieder aufgegriffen werden. Nicht zuletzt der Siegeszug der sozialen Netzwerke ermöglicht es den Teilnehmern, sich zu vernetzen, gegenseitig zu unterstützen und auf diese Weise allen ein breites Wissen zur Verfügung zu stellen. In diesem Zusammenhang fällt oft auch das Stichwort der „Open Education„, also der kostenlosen, „demokratischen“ Verbreitung von Bildung und Wissen.

Was sind MOOCs heute?

Im Normalfall ersetzen MOOCs kein reguläres Hochschulstudium.
Durch moderne Kommunikationswege erreichen sie zwar -theoretisch- ein so breites Publikum wie nie zuvor. Wesentliche Knackpunkte sind jedoch nur in Ansätzen gelöst:

  • Bringen die Teilnehmer ausreichend viel Selbstdisziplin mit?
  • Wie können Fachfragen der Teilnehmer kompetent und zeitnah beantwortet werden?
  • Wie kann Betrug bei den Prüfungen verhindert werden? Sitzt der Student wirklich selbst am Rechner?

Besonders in Europa tut man sich mit der Beantwortung dieser Fragen schwer. Doch selbst in den so innovativen USA gibt es das Phänomen, dass Hochschulen zwar MOOC-Abschlüsse anbieten, diese jedoch für ein etwaiges, weiterführendes Präsenzstudium nicht anerkennen.

Die Frage nach der Selbstdisziplin betrifft freilich jeden, der ein Fernstudium absolviert. MOOC-Teilnehmer bilden hier keine Ausnahme. Die Zahlen sprechen hier allerdings für die „klassische“ Fernschule: Hier erreichen die meisten Teilnehmer ihr angestrebtes Studienziel, während die Abbrecherquote bei MOOCs enorm ist. Ein oft zitiertes Beispiel aus dem USA ist ein MOOC, der mit mehr als 150.000 Teilnehmern begann, jedoch nur von etwa 5.000 erfolgreich abgeschlossen wurde. Zwar ist auch dies noch eine Teilnehmerzahl, die in keinen Hörsaal passen würde, die Erfolgsaussichten scheinen an einer Universität dennoch deutlich besser zu sein.

Wer sich selbst organisieren kann und voller Ehrgeiz an einem MOOC teilnimmt, stößt allerdings schnell auf die nächste Hürde: Jeder Studierende hat zahlreiche fachbezogene Fragen, die so kompetent wie möglich beantwortet werden sollen. Da es sich bei MOOCs allerdings in der Regel um kostenlose Kurse handelt, kann niemand ein rund um die Uhr erreichbares Callcenter mit Fachpersonal besetzen und bezahlen.
Im xMOOC bleiben die Fragen meist unbeantwortet, da die Teilnehmer reine „Wissensempfänger“ sind, selbst jedoch nur durch die Teilnahme an Prüfungen in Erscheinung treten. Daher gelten cMOOCs als fortschrittlicher, denn hier ist ein reger Austausch der Studierenden ein wesentliches Grundprinzip. Natürlich besteht keine Garantie, immer sofort auf kompetente Ansprechpartner zu stoßen. Durch die Organisation in Lern- und Arbeitsgruppen können viele Themen jedoch so ausführlich erörtert werden, dass so manche Frage gar nicht erst auftaucht. Ansonsten gilt es, sich selbst auf den Weg „durch den MOOC“ zu machen, also aktiv nach der gewünschten Information zu suchen.
Oft stehen dazu verschiedene interne Datenbanken zur Verfügung, wenn keine Lehrkräfte oder andere Teilnehmer behilflich sein können.

Der dritte Punkt schließlich ist besonders strittig. Wenn jeder Student zu Hause an seinem eigenen Schreibtisch sitzt, kann ihm nicht permanent ein Aufpasser zur Seite gestellt werden. Dennoch soll gewährleistet sein, dass der Teilnehmer nicht seine Mutter oder den Nachbarn büffeln lässt, während er selbst am Baggersee in der Sonne liegt. Natürlich ist eine eindeutige Identifikation vor allem bei Prüfungen unerlässlich.

Abhilfe soll dabei wieder die Technik bieten, indem der Studierende zur Verwendung einer Webcam verpflichtet wird oder sich regelmäßig per Fingerabdruck-Scan ausweist. Es gibt sogar Ansätze, bei denen spezielle Software ein Profil des individuellen „Tipp-Verhaltens“ erstellt und den Nutzer daran erkennt. Früher griffen die Teilnehmer mancher MOOCs zum Telefon, meldeten sich unmittelbar vor Beginn einer Lektion mit Passwort an und am Ende wieder ab – eine Methode, die freilich nicht allzu sicher vor Missbrauch schützt.

Ein in Europa favorisierter Weg erinnert allerdings wieder an die klassische Hochschulprüfung. Die Teilnehmer müssen sich dafür auf den Weg in ein Testcenter machen, wo sie unter Aufsicht gemeinsam ihre Prüfung ablegen können. In den meisten Fällen wird dabei eine nicht unerhebliche Prüfungsgebühr fällig.
An diesem Procedere wird deutlich, dass europäische Institutionen technischen Neuerungen oft skeptisch gegenüber stehen und erst den richtigen Umgang herausfinden müssen. Das mag altbacken erscheinen, macht es möglichen Betrügern jedoch besonders schwer.

Was macht MOOCs interessant?

MOOCs arbeiten mit modernsten technischen Mitteln, ohne klassische Bildungswege dabei aus den Augen zu verlieren.
Ein zentrales Element sind Videos, die meist kurz und knackig gehalten sind. Durch regelmäßige Multiple-Choice-Tests erhalten die „MOOC-Macher“ in Echtzeit ein Feedback aller Teilnehmer. Die notwendige soziale Interaktion kennen die meisten Studierenden bereits aus der Schule oder den sozialen Netzwerken.
Um den Interessenten die Angst vor dem „inneren Schweinehund“ zu nehmen, erfüllen die meisten MOOCs einen regelrechten Event-Charakter: Alle Teilnehmer müssen sich innerhalb eines vorgegebenen Zeitfensters beteiligen, damit stets alle auf einem vergleichbaren Wissensstand sind.

Wer bietet MOOCs an?

Die ersten MOOCs in ihrer heutigen Form entstanden in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts an deutschen Hochschulen, wurden jedoch recht bald von amerikanischen Universitäten überholt. Besonders die renommierten Namen Stanford, Harvard und Massachusetts Institute of Technology (MIT) sorgten dafür, dass MOOCs in Nordamerika relativ bekannt wurden.
Im deutschsprachigen Raum sind vor allem die Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne, das Potsdamer Hasso-Plattner-Institut und die Fachhochschule Bielefeld zu nennen. Der Bielefelder Professor Jörn Loviscach gilt über die Grenzen Deutschlands hinaus als ein Vordenker in Sachen MOOCs und hat durch neue Formen des Fernunterrichts schon so manche Abiturnote in Mathematik gerettet.

Grundsätzlich sind MOOCs ein Ansatz der sogenannten „Open Education„, also der Vermittlung von Wissen an jedermann, hochschulunabhängig und kostenlos.
Auch wenn die Universitäten als Keimzelle gelten dürfen, etablieren sich immer mehr privat organisierte Plattformen, auf denen sich der User für seinen MOOC entscheiden kann. In den meisten Fällen stehen Professoren oder Hochschullehrer ganz unterschiedlicher Universitäten dahinter, handeln dabei jedoch „auf eigene Faust“ und nicht im Namen ihres Instituts.
Der Anbieter Coursera gilt jedoch als Beispiel einer Plattform, die mit namhaften Universitäten kooperiert.
Weitere, bekannte MOOC-Plattformen sind

Freilich handelt es sich dabei überwiegend um englischsprachige MOOCs, die Teilnahme steht aber auch hierzulande jedermann offen. Unter www.mooc.de ist jedoch eine stetig wachsende Liste deutschsprachiger MOOCs zu finden. Zudem starten einige der genannten MOOC-Plattformen deutschsprachige Websites – oder haben dies bereits getan:

Für wen sind MOOCs geeignet?

Prinzipiell für jeden. Wer darin allerdings den schleichenden Tod der etablierten Hochschulen zu erkennen glaubt, wird sich vermutlich irren.
Denn es ist nun für eine unbegrenzte Zahl an Teilnehmern aus aller Welt möglich, vom eigenen Schreibtisch aus zu studieren. Und dass die Verlockung, sich nicht mehr durch den Straßenverkehr der Großstadt quälen zu müssen, um anschließend auf den Stufen eines überfüllten Hörsaals Platz nehmen zu dürfen, ihre Tücken hat, wurde bereits ausführlich beschrieben.

Laut diversen Umfragen, sowohl in Europa als auch in Nordamerika, besitzen die meisten MOOC-Teilnehmer bereits eine qualifizierte Ausbildung oder einen akademischen Grad.
Bei diesen Studierenden darf es als gesichert gelten, dass niemand einen MOOC mit einem klassischen Studium gleichsetzt. Vielmehr gilt es, sich fortzubilden, neben dem Beruf einen Wissensdurst zu stillen oder sich einer Herausforderung zu stillen.

Doch auch ohne (Fach-) Abitur lohnen sich MOOCs: Besonders in kleinen und mittelständischen Unternehmen arbeiten die Mitarbeiter Hand in Hand, auch wenn sie mit völlig unterschiedlichen Aufgaben betraut sind. Es kann also nur von Vorteil sein, wenn der Mechaniker auch ein Grundverständnis für BWL mit einbringt.
Da nur die wenigsten MOOCs eine allgemeine Hochschulreife voraussetzen, ist ein echter Quereinstieg möglich. Und wer sein Büro mit dem Abschluss-Zertifikat eines renommierten MOOCs schmücken darf, wird sicher viel Anerkennung erfahren.

Es gibt allerdings noch weitere Gruppen, die sich unbedingt näher mit MOOCs befassen sollten:
Wer kurz vor dem Abitur steht und schon im Vorfeld in das angestrebte Studium hineinschnuppern will, findet bei den verschiedenen Anbietern eine Vielzahl an Online-Kursen vor. Diese haben jedoch oft nur die Vermittlung von themenbezogenem Grundwissen zum Ziel. Das klassische Hochschul-Studium wird also nicht vorweg genommen.
Der Interessent kann sich allerdings einen guten Überblick verschaffen und hat dadurch einen erleichterten Start an der Uni.

Zusätzlich kann Arbeitslosigkeit ein Grund für die Teilnahme an MOOCs sein. Vor allem in wirtschaftlich guten Zeiten mit einer geringen Arbeitslosenquote ist der Wettbewerb erstaunlich hart. Arbeitgeber wählen neue Mitarbeiter sehr differenziert aus den eingehenden Bewerbungen aus, Kompromisse werden nur selten gemacht.
Wer zur Gruppe 50+ zählt oder nur gering qualifiziert ist, hat leider keine guten Karten. Auch dann gilt es, das eigene Portfolio zu verbessern.
Dass MOOCs derzeit noch relativ unbekannt sind, ist dabei kein Problem: Viele Arbeitgeber betrachten eine Teilnahme am Online-Kurs als eine spannende Form der Eigeninitiative und werden daher auf den Bewerber aufmerksam.

Fazit

MOOCs sind definitiv ein ebenso interessantes wie zukunftsweisendes Thema, in das noch eine Menge Bewegung kommen wird.
Ob sie „klassische“ Studiengänge an Universitäten und Hochschulen eines Tages ersetzen können, bleibt abzuwarten. Mittelfristig ist dies eher unwahrscheinlich – eine gute Ergänzung sind sie aber in jedem Fall. Es lohnt sich also, neugierig zu bleiben.

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AUTOR

Kevin Schroer

Hier schreibt für Sie Dipl. Kfm. Kevin Schroer - Seit meinem Studium an der Leuphana Universität Lüneburg, im Fachbereich Betriebswirtschaft, schreibe ich für SIe über Fernstudiengänge und Fernkurs aus den Bereichen für Sprachen & Schulabschlüsse.

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